Die Zukunft des E-Commerce: So funktionieren Effizienzsteigerung und Kostensenkung

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Intro

Stefan Tobel aus dem Etribes Entrepreneur & Expert Network spricht auf der K5 Konferenz mit Stefan Wenzel über die aktuelle Entwicklung im E-Commerce, anstehende Herausforderungen und die zukünftigen Erfolgsfaktoren

Stefan Wenzel hat mit über 30 Jahren Führungserfahrung bei Unternehmen wie eBay, brands4friends oder Otto und mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich Digital Commerce eine beeindruckende Erfolgsbilanz. Mit seiner Expertise unterstützt Stefan Unternehmen bei der Erreichung strategischer und operativer Ziele in verschiedenen Geschäftsmodellen, Wachstumsphasen und globalen Märkten und hilft ihnen in der digitalen und mobilen Welt erfolgreich zu sein.

E-Commerce
Strategie

12. Juli 2023 / Etribes

Stefan Tobel

Schön mit dir ein bisschen über E-Commerce zu sprechen. Es hat sich einiges geändert über die letzten ein, zwei Jahre. Unter anderem liegt das Geld irgendwie nicht mehr auf der Straße. Für einige Wachstumsprojekte stellt das eine Herausforderung dar. Da muss viel umgedacht werden. Welche sind die Hauptthemen und vor allem, welche Hebel und Lösungen stehen Unternehmen zur Verfügung, die ihre Denkweise ändern müssen?

Stefan Wenzel

Ja, die Situation hat sich verändert und nicht nur das Geld liegt nicht mehr auf der Straße, sondern vor allem auch die Nachfrage nicht mehr. Das ist das, was man jetzt in Kombination schmerzlich erfährt. Allerdings hat dies für die Branche auch eine gute Seite, da jetzt Muskelgruppen gefordert werden, die zuvor kaum oder nur wenig trainiert wurden. Das Hauptthema ist die Profitabilität, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Da würde ich grundsätzlich dafür werben, auch über Zahlungsbereitschaft nachzudenken. Beispiele wie das 25€ Apple Poliertuch oder Liquid Death, Wasser in weißen Blechdosen, die einen dreistelligen Millionenumsatz erzielen, zeigen die Entkoppelung des Warenwerts vom Verkaufswert. Das sind grundsätzliche Themen, die finde ich sehr charmant. Aber das ist natürlich kein quick fix. Was jetzt hilft, ist die Liquiditätssicherung und die kurzfristige Senkung von Kostenpotenzialen. Es ist unangenehm, aber es geht darum, Fixkosten zu reduzieren, den variablen Kostenanteil zu erhöhen und nicht notwendige Ausgaben zu streichen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Zahlungsbereitschaft der Kunden deutlich zu steigern.

Stefan Tobel

Wenn wir einen Blick auf den Durchschnitt der Unternehmen werfen, mit denen du zu tun hast und die Kostenreduktion und Effizienzsteigerung anstreben: Welche drei Bereiche würdest du als diejenigen benennen, in denen vermutlich das größte Potenzial liegt?

Stefan Wenzel

Eine Möglichkeit, das größte Potenzial für Kostenreduktion und Effizienzsteigerung zu identifizieren, ist die Betrachtung der Entwicklung der Personalkosten im Verhältnis zum Deckungsbeitrag. Dieser Aspekt wurde oft vernachlässigt, da Unternehmen dazu tendierten, immer größere Teams aufzubauen. Es ist wichtig zu analysieren, ob und wann es einen Return on Investment in diesem Bereich gibt. Das ist sicherlich ein Thema was total unpopulär ist, aber lohnenswert auf die Entwicklung der Fixkosten in Relation zum Deckungsbeitrag zu schauen. Im Zweifel muss auch das Thema Personalausstattung angegangen werden. Im Bereich Marketing gibt es zudem noch viel Ineffizienzpotenzial, da immer noch schlecht mit Daten gearbeitet wird und Attribution oft ein Fremdwort ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Kundenwert, der häufig missverstanden wird. Viele Teams halten CRM immer noch für gleichbedeutend mit Newsletter-Marketing und glauben, dass der Kundenwert lediglich am Umsatz pro Kunde gemessen wird. Diese drei Bereiche bieten große Chancen, um Kosten zu senken und Effizienz zu steigern. Es liegt Geld auf der Straße, man muss sich nur bücken.

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"Ja, die Situation hat sich verändert und nicht nur das Geld liegt nicht mehr auf der Straße, sondern vor allem auch die Nachfrage nicht mehr. Das ist das, was man jetzt in Kombination schmerzlich erfährt."

Stefan Wenzel, Leader in Digital & Commerce

Stefan Tobel

Du hast erwähnt, dass Investitionen und Individualisierung dort erfolgen sollten, wo es den Kunden bewegt. Wie genau verhält es sich damit?

Stefan Wenzel

In vielen Unternehmen besteht die Realität darin, dass das Backoffice, bestehend aus Backend, Technologie, Prozessen und Logistik, über Jahre hinweg intern entwickelt und komplex gestaltet wurde. Dadurch entsteht oft ein unübersichtliches Durcheinander. Alles, was neu hinzukommt oder geändert werden muss, wird als große Herausforderung betrachtet, ähnlich einer komplizierten Hüft-OP. Dies verlangsamt das Unternehmen und hemmt die Innovation. Wenn wir über die Fähigkeit zur schnellen Anpassungsfähigkeit sprechen, bezieht sich dies darauf, dass das Front Office, wo die Zahlungsbereitschaft der Kunden ausgelöst wird, schnell reagieren kann. Allerdings ist dieses Front Office oft standardisiert, im Gegensatz zum hinteren Bereich des Unternehmens.

Stefan Tobel

Dem Kunden ist ja vollkommen egal, wie sein Bestellung gehandelt wird, Hauptsache sie kommt und gut und rechtzeitig an.

Stefan Wenzel

Absolut. Meiner Meinung nach ist es wichtig, so nah wie möglich am Standard zu bleiben und an vielen Stellen zu standardisieren. Die Individualisierung sollte dort erfolgen, wo man tatsächlich einen starken Einfluss auf die Kundinnen und Kunden hat und Zahlungsbereitschaft durch Differenzierung und wertvolle Unterschiede schaffen kann. An diesen Stellen sollte man volle Power einsetzen. Falls erforderlich, sollte man die Ressourcen vom Backoffice ins Front Office verlagern, um Verbesserungen zu erzielen.

Stefan Tobel

Ich höre oft von Unternehmen, dass sie bei der Einführung neuer Technologien immer den Standard beibehalten möchten oder zumindest nah am Standard bleiben wollen. Allerdings scheint es am Ende nicht immer so umgesetzt zu werden. Was glaubst du, woran das liegen könnte?

Stefan Wenzel

Das liegt daran, dass die Anforderungen häufig von unten nach oben gesammelt werden. Wenn man zehn Personen fragt, erhält man oft 15 unterschiedliche Anforderungen, die sich teilweise sogar widersprechen können. Oft wird nicht von den Auswirkungen und dem Endziel her gedacht, sondern es werden Features hinzugefügt und weitere Funktionen implementiert, die man irgendwo gesehen oder von denen man gehört hat. Dies gilt nicht nur für das Technologieumfeld, sondern auch für die Logistik und andere Abteilungen. Wenn man all diese individuellen Anpassungen zusammenführt, entsteht ein Durcheinander von maximaler Individualisierung, wo sie nicht erforderlich ist.

Stefan Tobel

Ja, das stimmt. Oftmals wird in Projekten lediglich der aktuelle Status quo erfasst, aber es wird versäumt, den nächsten Schritt zu machen und dabei diesen kritisch zu hinterfragen. Es kann durchaus sein, dass der Status quo zu 50 % einfach nicht optimal ist. Anstatt ihn zu entschlacken und zu verbessern, wird er einfach als Anforderung für das neue System übernommen. Dadurch bleibt die Komplexität weiterhin im neuen System bestehen.

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