Digitalisierung bei Thomann Music: Wie CDO Dr. Christian Maaß inspirierende und digitale Kauferlebnisse für Musiker sicherstellt

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Intro

Etribes CEO Fabian J. Fischer und Digitalexperte Joel Kaczmarek sprechen im digital kompakt Podcast mit erfolgreichen Entscheider:innen über die Digitale Transformation ihres Geschäfts – direkt aus der Praxis, mit vielerlei konkreten Erfahrungswerten, Learnings und echten Beispielen.

Der heutige Interviewgast ist Dr. Christian Maaß, CDO und Managing Director von Europas größtem Musikhaus: Thomann Music. In dieser Episode erklärt er, wie der Digitalisierungsprozess bei Thomann aussah, welche digitalen Initiativen aktuell genutzt werden, wie jeder Mitarbeiter zum Erfolg des Unternehmens beiträgt und welche technologischen Neuheiten Kund:innen in Hinblick auf den digitalen Wandel zukünftig erwarten dürfen. Übrigens: Sein gebündeltes Fachwissen und persönliche Erfahrungen aus jahrelanger Praxis gibt Christian auch als Teil des Etribes Entrepreneur & Expert Network (EEN) auch an Etribes Kunden weiter.

E-Commerce
Innovation

24. Mai 2023 / Etribes x digital kompakt

Was zeichnet Thomann Music aus?

Thomann Music ist ein internationaler Omnichannel Händler und bietet alle denkbaren Artikel rund um das Thema Musik und Instrumente. Das Unternehmen bietet den größten Online-Store im Bereich Musik in Europa. Aber nicht nur das: Sie bieten ein umfassendes Angebot, das einen Besuch bei ihnen, egal ob persönlich im Store oder auf ihrer Content-Plattform, zum Erlebnis werden lässt. Ein großer Teil ihrer Mitarbeitenden sind selbst Musiker:innen und lassen die Begeisterung zur Musik auch in die ständig kreative und technologische Weiterentwicklung des Geschäfts von Thomann mit einfließen.

Im vergangenen Jahr haben die knapp 1800 Thomann Mitarbeiter in Deutschland ca. 1,4 Milliarden Euro Umsatz im Bereich Musikinstrumente erwirtschaftet. Davon wurden etwa 98,5 % online erwirtschaftet. Obwohl der stationäre Handel nach wie vor wichtig ist, trägt er nur zwischen 1,6% – 1,8% zum Gesamtumsatz bei.

Thomann hat seinen Sitz in Treppendorf, in der Nähe von Bamberg. Zusätzlich gibt es noch ein Büro in Berlin, allerdings arbeitet die IT-Abteilung beispielsweise fast komplett remote. Gleichzeitig hat sich aufgrund der Entwicklung und des Einflusses von Corona das gesamte Konzept weiterentwickelt. Einige Kollegen arbeiten im lokalen Ladengeschäft, aber nur für zwei Tage pro Woche, während sie an den anderen Tagen Kunden im Büro oder von zu Hause telefonisch beraten. Insgesamt gibt es noch 200 Mitarbeiter, die im Laden tätig sind.

Wie gestaltete sich der Digitalisierungsprozess bei Thomann Music?

Thomann startete bereits 1996 mit ersten Online-Versuchen und entwickelte seinen eigenen Store und ist seitdem “online”. Obwohl das Unternehmen zu den ersten deutschen Onlineshops gehörte, gab es verschiedene Digitalisierungswellen. Thomann legt beispielsweise großen Wert auf verifizierte Nutzerbewertungen, um Vertrauen aufzubauen, insbesondere aufgrund ihres hochpreisigen Sortiments.

Nach der Finanzkrise 2010 gab es eine neue Welle der Digitalisierung, bei der der Fokus verstärkt auf mobile Anwendungen lag. Thomann war zu Beginn dieser Entwicklung bereits gut positioniert. Die Digitalisierung sollte als umfassendes Projekt betrachtet werden. Oftmals lenkt der Begriff „Digitalisierung“ jedoch von der eigentlichen Kernaufgabe ab: Was kann ich konkret Gutes für den Kunden tun? Dabei ist es wichtig, dass digitale Maßnahmen einen positiven Einfluss auf Umsatz, Kosten oder andere strategische Ziele haben. Für Thomann war die Frage, wie sie sich digitalisieren sollten, nie ein Thema, das sie erzwingen mussten, da sie sich stets auf den Kern ihres Geschäfts konzentrieren: Musikbegeisterten Menschen alles bieten, was sie zur Ausübung ihrer Leidenschaft oder ihree Beruf benötigen – sowohl off- als auch online.

Wie bringt jeder einzelne Mitarbeiter das Geschäft abteilungsübergreifend voran?

Bei Thomann arbeiten viele hochqualifizierte und erfahrene Musiker, angefangen bei Geschäftsführer Hans Thomann selbst, der Instrumentenbauer für Blechinstrumente ist. Oder sein Neffe, der auch in der Geschäftsleitung tätig ist und beispielsweise in der Bamberg Brass Band bei den Deutschen Meisterschaften spielt. Thomann Music beschäftigt auch vor Ort, beispielsweise im Verkaufsraum, viele Mitarbeiter, die selbst professionelle Musiker sind. Diese Tatsache ist von großer Bedeutung, wenn es darum geht, eine hervorragende und individuelle Beratung am Point of Sale zu ermöglichen. Denn Kunden möchten wissen, dass sie mit Fachleuten sprechen. Eine häufig gestellte Frage an Mitarbeiter in der Streicherabteilung ist beispielsweise, ob sie selbst das Instrument spielen können.

Zum anderen begann Thomann aufgrund von Kundenfeedback damit, Reparaturaufträge selbst durchzuführen. Denn: Kunden hatten angemerkt, dass es manchmal zu lange dauert, wenn sie ihre Produkte zur Reparatur an den Hersteller schicken. Als Reaktion darauf entschied sich Thomann, Reparaturen direkt vor Ort anzubieten. Daher verfügt Thomann über eigene Servicewerkstätten, die täglich etwa 2000 Serviceaufträge erhalten. Das Unternehmen legt zudem großen Wert darauf, dass diese Aufträge sofort bearbeitet werden sollen.

Christian-Maass-Etribes-Thomann-Blog

“Kunden möchten immer wissen, ob sie mit einem Profi sprechen. Die am häufigsten gestellte Frage bei uns im Laden ist: "Spielen Sie selbst das Instrument?". Denn wenn du etwas vorlebst, was aus deinem Herzen kommt, dann überzeugst du die Leute!”

Dr. Christian Maaß, CDO & MD bei Thomann Music und Etribes Expert Partner

Wie wurde Thomann zur Content-Plattform?

Thomann ist nicht auf Marktplätzen vertreten und erzielt nahezu 100 % seines Umsatzes über den eigenen Store. Diese Entscheidung, nicht auf Marktplätze zu gehen, wurde bewusst getroffen und wird auch in Zukunft beibehalten. Stattdessen hat das Unternehmen frühzeitig darüber nachgedacht, wie sie ihre Reichweite über den Point of Sale hinaus erhöhen können und hat in Content-Portale investiert.

Thomann betreibt derzeit etwa 30 Content-Portale, die sich mit verschiedenen Themen wie Kopfhörern oder Musiker-Communities befassen. Dies ermöglicht eine breite Reichweite im Bereich der Suchmaschinenoptimierung (SEO). Thomann hat sich intensiv mit dem Suchprozess von Kunden auseinandergesetzt, insbesondere bei emotional aufgeladenen Produkten. Kunden suchen nach Informationen, lesen Bewertungen oder schauen Videos. Thomann produziert daher eigene Videos, die auf neutralen Portalen bereitgestellt werden. Dies bietet eine großartige Möglichkeit, bereits frühzeitig eine Beziehung zu den Kunden aufzubauen, ohne dabei lautstark Werbung für Thomann zu machen. Es geht darum, den Kunden abzuholen, wenn er die Website besucht. Thomann legt dabei großen Wert auf die “Romantik eines Musikladens” und die Liebe zum Detail, was bisher immer sehr gut funktioniert hat.

Wie generiert Thomann neue Kunden über Social Media?

Bei Thomann kommen fast alle Innovationen aus internen Quellen, insbesondere im digitalen Bereich. Das Unternehmen hat eigene YouTube-Kanäle aufgebaut, beispielsweise für verschiedene Instrumente wie Bassgitarren oder E-Gitarren. Einige wurden kürzlich von Google als die besten YouTube-Kanäle ausgezeichnet. Zudem wurde ein interner TikTok-Kanal aufgebaut, der von Kollegen betreut wird, die zuvor im Kundenservice für die finnische Hotline tätig waren. Diese beiden Kollegen sitzen in Finnland und kommen gelegentlich zu Besuch in die Studios, um ihre Inhalte in bestmöglicher Qualität zu erstellen. Die Videos wirken zudem authentisch, da die Kollegen talentierte Musiker sind und über ein hohes Niveau an musikalischem Können auf verschiedenen Instrumenten verfügen.

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Wie stellt Thomann einen permanenten technologischen Wandel sicher?

Thomann setzt weitgehend auf Eigenentwicklungen und hat eine dezentrale IT-Struktur. Das Webteam, der Kundenservice, die interne IT und die Logistik agieren weitgehend autonom. Dennoch werden sie durch gemeinsame Architekturprinzipien und Qualitätsstandards eng miteinander verbunden. Die Zusammenarbeit und Ausrichtung der Projekte erfolgt in regelmäßigen Treffen, bei denen strategisch relevante Projekte diskutiert werden. Etwa 9 von 10 Projekten haben eine strategische Bedeutung.

Thomann folgt einer agilen Entwicklungsmethodik und arbeitet sehr iterativ. Ihr Hauptziel im IT-Bereich ist es, die geschäftlichen Metriken positiv zu beeinflussen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine gute Struktur und Organisation entscheidend. Thomann befürwortet dabei eine agile Arbeitsweise, bei der die individuelle Entwicklung jedes einzelnen Mitarbeiters im Vordergrund steht, da dies laut Dr. Christian Maaß zu schnellem Fortschritt führt.

Welche technologischen Neuheiten können Kunden in Zukunft erwarten?

Seit über 50 Jahren hat sich Thomann auf die Visitenkarte geschrieben, jeder Person rund um den Globus Zugang zur Musik zu ermöglichen. Wenn Kunden nicht persönlich zum Geschäft kommen können, sucht das Unternehmen im Onlineshop nach Möglichkeiten, diesen Zugang zu ermöglichen.

Ein Beispiel dafür: Derzeit arbeitet Thomann an der Entwicklung einer Beckenmaschine. Dabei handelt es sich um einen Roboter, der mit einer bestimmten Stärke Schläge auf bestimmten Stellen auf das Becken Instrument ausführt. Dies wird aufgenommen, um Kunden, die an einem beliebigen Ort der Welt sind, die Möglichkeit zu geben, das Becken zu testen. Dadurch werden eventuelle Retouren stark reduziert. Ähnliche Möglichkeiten versucht Thomann im Bereich der Gitarren zu etablieren.

Worauf solltest du bei der Digitalisierung deines Unternehmens achten?

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Denkweisen und mentalen Modelle der Menschen zu verändern. Es ist wie mit einem Schlitten, der gegen die Wand fährt. Es erfordert also eine gewisse Anstrengung, um diese Denkmuster zu überwinden. Um bestehende Verhaltens-, Denk- und Arbeitsmuster zu verändern, muss man sie herausfordern und in Frage stellen. Hierbei spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle. In solchen Situationen sind Taten oft effektiver als Worte, da beim Sprechen oft das Zuhören vernachlässigt wird.

Wenn du beispielsweise keine praktische Erfahrung im digitalen Bereich hast, wird es per Definition schwierig sein, dein Denkmodell anzupassen und dich an die digitale Umgebung anzupassen.

Bei Thomann legt Dr. Christian Maaß großen Wert auf Transparenz. Daher wurde ein spezielles Mitarbeiterhandbuch veröffentlicht, welches Informationen wie Arbeitsweise, Unternehmensziele, oder Team-Mentalität enthält. Daran können sich alle Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit orientieren und zielgerichtet in eine gemeinsame Richtung laufen.

Hast du zu dem Thema noch Fragen oder Ideen?

Quelle

Etribes CEO Fabian J. Fischer und Joel Kaczmarek, Digitalexperte & Gründer von digital kompakt, sprechen im digital kompakt Podcast regelmäßig über Themen rund um digitale Innovation und Transformation. Die Folge “Thomann: Mit diesen Heuristiken gelingen Digitalisierung und Skalierung” diente als primäre inhaltliche Quelle für diesen Blogbeitrag. Zitate aus der Podcast-Folge wurden aufgrund einer besseren Lesbarkeit im Blog leicht geglättet.